Licht – Farbe – Struktur gestaltet von Daniela Illing
Aurora am 10./11. Mai 2024
Auch gelassene Gemüter in Weltraumwetter-Kreisen horchten auf, als die Berechnungsmodelle am Morgen des 10. Mai 2024 die Ankunft von gleich einem Bündel heftiger Sonnenstürme ankündigten. Das sog. „Carrington-Ereignis“ von 1859 wird fast inflationär heraufbeschworen, wenn es um irdische Folgen von Sonneneruptionen geht. Und was sich hier anbahnte, hätte in einer ähnlichen Liga spielen können. Geomagnetische Stürme können in der Tat potentiell heftige Auswirkungen auf Funk, GPS und sogar Energieversorgungsnetzwerke haben. Unsere digitale Infrastruktur war in dieser Hinsicht bisher nie von einem Extremereignis getestet worden, der letzte vergleichbare Sonnensturm war 1989. Die Netze überstanden die Herausforderung aber gut.
Damit bleiben die vielen mit Staunen und Begeisterung geschossenen Fotos von allen Kontinenten. Durch die Fortschritte bei Smartphone-Kameras konnten erstmals auch weniger Geübte gute Aurora-Aufnahmen machen. Dadurch war es nicht der stärkste, aber auf jeden Fall der am besten dokumentierte Sonnensturm der Geschichte.
Meine eigene fotografische Chronologie des Ereignisses: Am späten Nachmittag traf der erste solare Masseauswurf auf das Erdmagnetfeld und schickte den Bz-Wert sofort und dauerhaft in bisher unerreichte Tiefen. Damit war das Abendprogramm klar.
Der Bz-Wert gibt Auskunft über die Wechselwirkung zwischen dem interplanetarem Magnetfeld und dem der Erde. Ist dieser Wert über längere Zeit stark negativ (südlich), können Sonnenstürme gut ins Erdmagnetfeld eindringen. Er ist eine Hauptvorraussetzung für Aurora-Sichtungen südlich des Polarkreises. Und bei den Ansichten oben links war bereits klar, es würde deutlich visuell werden, auch in Süddeutschland. Oben rechts ist der weitere Verlauf über die Nacht abgebildet.Gegen 22:00 Uhr, bei Kreuzfeld: Frühzeitig rausgefahren, um nicht in stockfinsterer Nacht aufbauen zu müssen. Aber schon im letztem Dämmerungslicht breitete sich ein rötlicher Schein über dem gesamten Nordhimmel aus. Ich traute meinen schlechten Augen nicht und überprüftte mit der Kamera. Tatsächlich! Alles pink, sogar „Nadeln“ (GBRs) waren erkennbar, die in Süddeutschland so eigentlich nie beobachtbar sind.Mit dem Beginn der astronomischen Dämmerung erschien der gesamte Nordhimmel bedrohlich rot.Normalerweise bin ich nicht ängstlich im Dunkeln. Aber das blutrot erscheinende Mondlicht verbunden mit den Tiergeräuschen aus dem nahen Wald war schon dezent unheimlich.Gegen 23:30 Uhr, Wasen: Ich hatte tatsächlich nur für einen Beobachtungsort geplant, nicht erwartet, diesen auszureizen. Als sich auch Richtung Mitternacht kein Abklingen andeutete, fuhr ich einfach spontan weiter und hielt an Orten, die ich am Tag gut kenne. Das erleichtert die Navigation im Dunkeln und Bildfindung. Nach Monduntergang legte ein Substorm mit Regenbogenaurora los.Gegen 00:00 Uhr, Gerabronn: Hier wurde tatsächlich nicht das Licht angelassen. Wahrscheinlich war es nur eine Status-LED des Raumluftmessers. Dass die hier den Raum so erhellt, deutet an, dass auch Polarlicht in Langzeitbelichtungen viel intensiver erscheint, als für das bloße Auge. Eine Rekonstruktion der menschlichen Wahrnehmung gibt es hier.Der Substorm nach Mitternacht erleuchtete die Umgebung diffus mondhell, die Stirnlampe war nicht mehr nötig. Sie diente jetzt nur noch zur Ausleuchtung des Vordergrundes.Nicht nur Giant Blue Rays (GBRs) waren jetzt mit bloßem Auge hell am gesamten Nordhimmel erkennbar, sogar einzelne Schwaden grünen Polarlichts gesellten sich dazu. Diese RAGDA (Red Arc with Green Diffuse Aurora) stand einmal sogar fast im Zenith, wie im folgenden Bild erkennbar:nach 01:00 Uhr. Feldräumung, da andere Nachbegeisterte die Beleuchtung anschalteten:Die geniale Nacht wurde im Garten astrobegeisterter Freunde beschlossen. Eine knappe Stunde später hatte die Aktivität spürbar nachgelassen. Natürlich fiel mir erst jetzt die naheliegendste Foto-Ansicht ein:gegen 02:30 Uhr:Schloss Langenburg im Schein der abklingenden Aurora. (120° Panorama aus sechs Einzelaufnahmen)kurz vor 03:00 Uhr, bei Langenburg: auf dem Heimweg wurde noch der Brüchlinger Wald mitgenommen.Das 120° Panorama zeigt noch große Strahlungskraft der Aurora über eine komplette Himmelshälfte (der Weg im Vordergrund zeigt nach NW). Nach 03:00 Uhr bahnte sich erstes Dämmerungslicht den Weg. Ein Foto der eigenen Nachbarschaft zur Erinnerung war gegen 03:30 Uhr das letzte vor dem dringend nötigen Schlaf.
… nur um am nächsten Abend noch einmal die Ausrüstung zu packen. Nordamerika erwischte die Schokoladenseite der Mai-Stürme, aber etwas Aktivität war auch für den Folgeabend angekündigt.
Zielpunkt war trotz relativer Stadtnähe diesmal ab 23:00 Uhr die Anhäuser Mauer. Die beiden lohnenswerten Ausschläge waren in der Nacht vom 12./13. Mai leider in der Abend- und Morgen-Dämmerung, vor Mitternacht gab es nur noch Restaktivität.Durch die (natürlich notorisch verspätete) Berichtertattung zum kosmischen Event waren noch andere Leute vor Ort, die hier aber digital entfernt wurden. Dann eben ein wenig Spielerei mit dem Mond und nette Gespräche mit anderen Hobby-Knipsern.